You are currently viewing Warum du trotzdem eine Township Tour machen solltest

Warum du trotzdem eine Township Tour machen solltest

Überall nur Kriminalität, Alkohol und Drogen. Dreckige Brennpunkte sozialer Ungerechtigkeit, regiert von brutalen Gangs. Das ist ungefähr das, was man zu südafrikanischen Townships aus den Medien kennt. Dazu der Hinweis an Reisende, diese Gebiete unbedingt zu meiden. Doch die Realität sieht anders aus. Diese Viertel sind ein wichtiger und großer Teil Südafrikas. Wer das Land am Kap mit seiner kulturellen Vielfalt wirklich kennenlernen möchte, der sollte eine verantwortungsvoll organsierte Township Tour mitmachen. Warum es sich lohnt und wie genau das geht erfährst du in diesem Beitrag.

Warum auch ich zuerst ein komisches Gefühl hatte

Da ich bereits mehrmals im Township unterwegs war, konnte ich mir nie vorstellen eine geführte Tour zu unternehmen, weil es sich für mich so wie Voyeurismus angefühlt hätte. Wenn ich ins Township gehe, dann wollte ich mit einheimischen Freunden unterwegs sein. Ideal ist es natürlich, wenn man Freunde oder Bekannte hat, die einem diese Orte zeigen können. So kann man die Menschen vor Ort, ihre Familie, Freunde und Traditionen am natürlichsten kennenlernen. 

Township Tour durch Soweto - oft gibt es nur unzureichend Kanalisation
Township Tour durch Soweto – oft gibt es nur unzureichend Kanalisation

Wer diese Möglichkeit nicht hat, aber trotzdem gerne diesen Teil Südafrikas kennenlernen möchte, der kann an einer geführten Tour teilnehmen. Bei so einer Tour steht jedoch das Argument im Raum, dass man Geld dafür zahlt die Armut anderer zu sehen. In diesem Artikel von Benjamin Dürr wird der Vergleich mit „Armutspornographie“ gezogen. Da ist natürlich etwas dran, wenn man das spärlich eingerichtete Schlafzimmer und somit die Intim- und Privatsphäre der Menschen vor Ort betritt. Der Vergleich wird noch mehr bewahrheitet, wenn man die Kamera oder das Smartphone raus holt und all das für seine Freunde zu Hause festhalten möchte.   

Slum-Tourismus – ein Globaler Trend?

Definitiv! Südafrika machte nach dem Ende der Apartheid Anfang der 1990er Jahre den Anfang. Danach folgten Brasilien (insb. Rio de Janeiro) und später viele weitere Länder aus der zweiten und dritten Welt (siehe Abbildung).

Die weltweit beliebtesten Reiseziele von Slum-Touristen
Die weltweit beliebtesten Reiseziele von Slum-Touristen – Quelle: Streinbrink et al. 2015

Mittlerweile ist diese Form des Tourismus zu einer wichtigen Einnahmequelle für die lokale Bevölkerung geworden. Ein Großteil der weltweiten Touristen sind in südafrikanischen Slums unterwegs. Somit kann man diese Aktivität, die vor allem in den Großstädten Kapstadt und Johannesburg boomt, als Massentourismus bezeichnen.

Slum-Tourismus: ist seit etwa 30 Jahren ein weltweiter Trend. Ob in Brasilien, Indien oder Südafrika. Allein in Südafrika besuchen 800.000 Touristen jedes Jahr Slums. 400.000 davon in und um Kapstadt. Quelle: Artikel von Benjamin Dürr

Die hohe Nachfrage durch die Besucher führt natürlich zu immer neuen Angeboten. Jedes Jahr kommen neue hinzu. Es ist daher nicht auszuschließen, dass unter den vielen Anbietern auch unseriöse dabei sind, die nur auf das schnelle Geld aus sind und kein Interesse daran haben, den Menschen vor Ort zu helfen. Jede Township Tour ist daher anders und die Besucher sollten sich den Anbieter vorher ganz genau anschauen und am besten auf Erfahrungen aus seriösen Quellen zurückgreifen.

Townshiptourismus in Südafrika

Als ich 2016 mit meinem Mann zweieinhalb Monate durch das südliche Afrika gereist bin und wir die letzten Tage in Johannesburg waren, wolle ich ihm auch gerne diesen Teil Südafrikas zeigen. Da ich jedoch niemanden in Johannesburg kannte und nicht in ein Township fahren wollte ohne mich auszukennen, blieb nur die Option einer geführten Tour. Ich habe mich tief im Inneren lange gesträubt. Doch in den letzten Wochen unserer Reise hatten wir so viel über die Geschichte Südafrikas und über den Werdegang von Nelson Mandela gelernt, dass ich gerne auch Soweto kennenlernen wollte. Ich hatte einfach das Gefühl, dass mir sonst ein wichtiges Puzzleteil dieses Landes fehlen würde, das mir mittlerweile so ans Herz gewachsen war und in dem ich eine wichtige Zeit meines Lebens verbracht habe.

Soweto (South Western Township) ist ein eigener Stadtteil von Johannesburg und ca. 10 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Nelson Mandela lebte von 1946 bis 1962 in Soweto und hat hier mit seinen Anhängern unzählige Kämpfe gegen das Apartheid-Regime gefochten. Interessanter Fakt am Rande: Desmond Tutu lebte in der gleichen Straße. Somit ist die Vilakazi Street die einzige Straße der Welt, wo zwei Friedensnobelpreisträger gelebt haben.

Fahrradtour und ein Bierchen

Am Ende haben wir uns für eine Fahrradtour mit 8 Teilnehmern entschieden. Zwei einheimische Guides haben uns durch ihr Viertel geführt. Beide waren Mitte 20 und bei einem Bierchen in einer lokalen Bar haben wir soooo viel über ihren Alltag, die aktuelle Politik, und besonders über die Herausforderungen der jungen schwarzen Bevölkerungsschichten gelernt. Und auch sie waren neugierig welche Teile Südafrika wir bereits gesehen haben und was wir an ihrem Land schätzen. Natürlich haben wir auch viele herzergreifende und für europäische Verhältnisse schlimme Wohnsituationen gesehen.

Doch mir ist nicht der Dreck in Erinnerung geblieben, sondern das bunte, aufregende und unglaublich vielfältige Soweto! Und ich war froh, dass ich einen Einheimischen mit seiner unternehmerischen Idee unterstützt habe. Denn der Besitzer hat ursprünglich ein Backpackers in dem ehemaligen Haus seiner Großeltern eingerichtet. Mit einigen wenigen Fahrrädern hat er angefangen Touren durch Soweto anzubieten. Die Nachfrage wurde immer größer und heute führt er ein Backpacker Hostel und bietet neben den Fahrradtouren weitere Community Aktivitäten an. Alle Fahrräder werden in Soweto gekauft und repariert. Zudem schafft er mit seinem Unternehmen viele Arbeitsplätze. Somit bleibt nicht nur Geld in der Community, sondern im Township selbst startet die Wertschöpfung.

Meine Township Tour durch Soweto in 2016 - wie vielerorts üblich: auf dem Rad
Meine Soweto-Tour in 2016 – wie vielerorts üblich: auf dem Rad
Auch in Soweto gibt es mittlerweile nicht mehr nur Wellblechhütten
Auch in Soweto gibt es mittlerweile nicht mehr nur Wellblechhütten

Meine ersten Erfahrungen

Mein erster Besuch war während meines Auslandssemesters in Südafrika 2010. Einheimische haben mich nach Gugulethu mitgenommen, ein Township nahe des Flughafen in Kapstadt. Dort gibt es eine sehr berühmte Metzgerei, die jeden Sonntag aufgrund von sehr gutem Essen und Open Air Party Feeling bei der schwarzen und weißen Bevölkerung beliebt ist. Da ich bereits in Tansania Freiwilligenarbeit geleistet habe, waren die Eindrücke für mich nichts neues. Am Anfang war ich von dem Reichtum von Kapstadt und Stellenbosch absolut überfordert – so hatte ich Afrika bis zu diesem Zeitpunkt nicht kennengelernt.

Daher habe ich mich im Township sogar ehrlich gesagt wohl gefühlt, weil es mir eine Art Vertrautheit aus meinen früheren Reisen gegeben hat. Und mich hat fasziniert, dass Weiße und Schwarze zusammen tanzen und feiern und einfach eine unbeschwerte Zeit verbringen. Der Fakt, dass weiße Südafrikaner extra den weiten Weg von der schicken Waterfront auf sich nehmen um im Township zu essen, spricht für die gute Qualität und relativiert die negative Berichterstattung. Während meiner Studentenzeit war ich unzählige Male sonntags in Gugulethu und habe dort einige meiner besten Open Air Parties gefeiert.

Townships als künstlerische Zentren, wie hier in Soweto
Townships als künstlerische Zentren, wie hier in Soweto

Emzini Tours Chor

Als wir die Entscheidung getroffen haben 2019 in Südafrika zu heiraten, war schnell klar, dass wir typische afrikanische Musik auf unserer Hochzeit möchten. Elela Africa hat mir den Kontakt zu Emzini Tours vermittelt, die eine Tour durch das Township Knysna entwickelt haben um Besuchern einen anderen Blick auf das Leben vor Ort zu geben. Einige der Mitarbeiter von Emzini Tours und Bewohner singen in einem Chor. Nach einigen Emails mit der Inhaberin und Videomaterial von ihrem Gesang wusste ich, dass ich die perfekte musikalische Untermalung für unsere Hochzeit gefunden hatte. 

Nach wenigen Minuten hat der Chor unsere Hochzeitsgäste in seinen Bann gezogen und es wurde kräftig mitgeklatscht und getanzt. Auf unserer Hochzeit waren vier Sänger von Emzini Tours dabei, die traditionelle Hochzeitslieder auf Xhosa, eine der meistgesprochenen Sprachen in Südafrika, gesungen haben. Wir haben uns vorher nie kennengelernt, aber wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und die Herzlichkeit und positive Energie, die sie mit ihrem Gesang und Auftreten ausgestrahlt haben, werde ich nie vergessen. Nach der Hochzeit sind wir weiter in Kontakt geblieben und haben uns per Email und WhatsApp über die aktuellen Entwicklungen in Südafrika und Deutschland auf dem Laufenden gehalten.

Township Tour in Knysna

Die Gründerin von Emzini Tours, Ella, wollte den Menschen hier eine Plattform für Bildung, Essen, Kleidung, Selbstwert und Sicherheit geben und sie wollte damit Arbeitsplätze schaffen. Sie selbst stammt aus einem von Missbrauch geprägten Umfeld und wollte vor allem Frauen und Kindern helfen ihr Leid zu mindern. Sie hatte sich immer ein sicheres zuhause gewünscht – ein Zufluchtsort, wo sie hingehen kann, wenn sie in Gefahr war. Diesen Traum hat sie nun verwirklicht.

Insgesamt wurden bereits fünf sogenannte „Safe Houses“ in Knysna gebaut, in denen aktuell 27 Kinder ein sicheres Zuhause gefunden haben, die aus schwierigen Elternhäusern stammen. Die Kinder werden während ihrer Schulzeit unterstützt und bekommen Hilfe eine Ausbildung zu finden und somit ihr Leben selbstständig in die Hand nehmen zu können. Außerdem helfen sie anderen Kindern in der Gemeinde mit Schulgebühren, Schuluniformen, Essen und Kleidung.

Township Tour ermöglicht Safe Houses

Hauptsächlich finanziert Emzini Tours die Lukhanyiso Safe Houses durch die Einnahmen einer selbst entwickelten Tour, um Besuchern einen anderen Blick auf das Leben vor Ort zu geben, das oft von Vorurteilen und negativen Wahrnehmungen geprägt ist.

Kinder können im Safehouse von Emzini im Knysna Township betreut lernen
Kinder können im Safe House von Emzini Tours betreut lernen

Es werden Einblicke von Menschen gegeben, die dort auch leben. Der Fokus liegt darauf, dass die Besucher wirklich den Alltag der Menschen kennenlernen, innovative Geschäftsideen sehen, wie die Menschen hier leben, tanzen, essen und ihren Alltag bewältigen. Dabei achtet Emzini Tours darauf nicht die Privatsphäre der Menschen zu stören und geht nur in kleinen Gruppen zu Fuß. Nebenbei lernt man viel über die Xhosa Kultur. Emzini heißt auf Xhosa „zu Hause“. Neben den Safe Houses setzen sie sich für viele weitere Bereiche in der Gemeinschaft ein. Zum Beispiel organisieren sie einmal pro Monat mit der lokalen Tierklinik, dass die Bewohner ihre Hunde und Katzen kostenlos impfen, sterilisieren und von einem Tierarzt durchchecken lassen können. 

Perfekt entlang der Garden Route

Wenn du auf der Garden Route unterwegs bist und einen seriösen Anbieter suchst, dann kann ich Emzini Tours wirklich wärmstens empfehlen. Ich persönlich habe die Tour vor Ort selbst noch nicht gemacht, kenne jedoch durch unsere Hochzeit die Tour Guides und war viel mit den beiden Inhaberinnen in Kontakt. Als die Corona Krise den Tourismus Südafrikas besonders hart getroffen hat, haben wir gemeinsam ein Online-Konzert organisiert um Spenden zu sammeln. Mehr dazu findest du in meinem Beitrag Südafrika virtuell erleben mit einem Online-Konzert.

Von all diesen Erfahrungen her kann ich mit voller Überzeugung sagen, dass sich alle mit Leidenschaft und Tatendrang für eine bessere Zukunft einsetzen und absolut vertrauenswürdig und einfach wunderbare Menschen sind. Auch die Erfahrungsberichte im Internet zu der Tour sind durchweg positiv. Bei meinem nächsten Südafrika Besuch möchte ich alle besuchen, die auf unserer Hochzeit gesungen haben und endlich auch Penny und Ella persönlich kennenlernen.

Doch was genau sind Townships eigentlich?

Es sind räumlich begrenzte Gebiete abseits der südafrikanischen Städte, in denen vorwiegend die schwarze Bevölkerung wohnt. Meist handelt es sich um Holz- und Wellblechhütten oder kleine einfache Steinhäuser. Sie nehmen teilweise Ausmaße von mittleren bis größeren Städten an. Die südafrikanische Apartheidpolitik verfolgte bereits in den 1920er Jahren das System der räumlichen Trennung der verschiedenen Rassen. Schwarze, farbige, indische und weiße Menschen sollten nicht im gleichen Gebiet wohnen. Als 1948 die Buren im Wahlkampf siegten, wurde die Apartheidpolitik offizielle Staatspolitik. Der „Group Area Act“ legte für alle Bevölkerungsgruppen gesonderte Wohngebiete fest. Menschen, die bislang in den, nach Auffassung der Regierung, „falschen“ Gebieten lebten, mussten umziehen.

Zwangsumsiedlung während der Apartheid

In dieser Zeit entstanden viele neue solche Viertel am Rande aller Städte. Es erfolgte nur teilweise ein systematischer Aufbau der Wohngebiete, denn die meisten Menschen wurden zwangsumgesiedelt. In den 1960er und 1970er Jahren wurde der Tiefpunkt der menschenverachtenden Apartheidspolitik erreicht, als Stadtteile mit vorrangig farbiger oder schwarzer Bevölkerung zu weißen Gebieten erklärt wurden und die komplette Bevölkerung zwangsumgesiedelt wurde. In Kapstadt betraf dies z.B. District Six mit ca. 60.000 Menschen. Die Polizei ging mit Räumfahrzeugen und Waffengewalt vor. Alle Einwohner mussten in die sog. Cape Flats ziehen, nachdem ihr Stadtteil niedergewalzt wurde. Von nun an mussten sie teilweise mehrere Stunden mit dem Minibus zu ihrem Arbeitsplatz fahren.

Viele Menschen bleiben ihren Townships treu - auch wenn sie es sich leisten könnten woanders zu wohnen
Viele Menschen bleiben ihren Townships treu – auch wenn sie es sich leisten könnten woanders zu wohnen

Geduldete illegale Wohnsiedlungen

In den 1980er Jahren verlor die Apartheidregierung immer mehr die Kontrolle über die Bewegung der Bevölkerung. Hunderttausende von Landbewohnern flüchteten vom Land in die Städte. Diese waren jedoch auf die Vielzahl der Neuankömmlinge nicht eingerichtet. Leere Flächen wurden besetzt und mit „shacks“, also Wellblechhütten bebaut. Strom, Wasser und Abwasser gab es dort nicht mehr. Mit dem Ende der Apartheid Anfang der 90er setzte eine weitere Bewegung aus dem Umland ein. Es entstanden viele „informal settlements“, geduldete illegale Wohnsiedlungen am Rande der Städte.

Nach der Apartheid haben sich Townships natürlich nicht einfach aufgelöst. Die Regierung versucht jedoch die Bedingungen zu verbessern und baut immer mehr massive Häuser, die sie den Bewohnern kostenlos zur Verfügung stellen. Doch es kommt auch immer mehr zur Vergrößerung der ursprünglichen Viertel. Genaue Einwohnerzahlen sind jedoch schwierig zu bestimmen bei der schnellen und oftmals illegalen Ausdehnung. Schätzungsweise leben in Soweto an die 4 Millionen Menschen. 

Worauf sollte man bei einem Besuch achten?

Die Townships sind eines der Überreste der jahrzehntelangen Unterdrückung des Apartheid-Regimes. Und sie werden in der nächsten Zeit auch nicht verschwinden. Sie gehören einfach zur südafrikanischen Realität. In jeder südafrikanischen Stadt gibt solche Viertel. Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er diese Orte besuchen möchte oder nicht. Wenn man sie auf einer Südafrikareise jedoch komplett meiden möchte, dann hat man den größten Teil der Realität und Identität dieses Landes nicht kennengelernt.

Das Thema Townshiptourismus generell sorgt für sehr viel Diskussion und gespaltene Lager. Auf der einen Seite hört man überall, dass man nicht alleine gehen soll. Aus Sicherheitsgründen ist da natürlich etwas dran. Der Großteil der Bewohner ist friedlich und wird wenn dann leider selbst Opfer von Kriminalität. Doch es kann natürlich passieren, dass ein unschwer zu erkennender Tourist für eine Gruppe Jugendlicher unter Drogeneinfluss eine perfekte Gelegenheit zur Geldbeschaffung ist.

Gute Anbieter engagieren sich für die Gemeinde

Doch mit einer Township Tour kann man auch sehr viel Gutes tun. Wer sich intensiv mit den verschiedenen Anbietern auseinandersetzt, der wird als Ziel haben einen tieferen Einblick in diesen Teil Südafrikas zu bekommen. Und es gibt zahlreiche Anbieter, die mit den Touren wohltätige Zwecke in der Gemeinschaft finanzieren und Arbeitsplätze schaffen. Emzini ist wirklich das beste Beispiel, denn die Kinder im Safe House werden durch die Einnahmen während ihrer Schul- und Ausbildungszeit unterstützt.

Einige von ihnen haben nach der Ausbildung hier ihre eigenen Unternehmen gegründet. Emzini setzt sich für mehr Kultur, Bildung, Sauberkeit und Tierwohl ein. Wenn die Einnahmen aus dieser touristischen Aktivität so eingesetzt werden und direkt bei den Menschen vor Ort ankommen, dann bin ich froh das mit meiner Anwesenheit zu unterstützen. Bei solchen Organisationen sieht man, dass Tourismus auch sehr viel positive Effekte haben kann und nachhaltig positive Entwicklungen bewirken kann.

Einheimische Tour Guides

Achte daher bei der Auswahl einer Tour besonders darauf, dass die Touren von Einheimischen durchgeführt werden, die wirklich vor Ort leben. Lies die Bewertungen von anderen Reisenden um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob der Anbieter seriös ist. Idealerweise gehst du zu Fuß oder fährst du mit dem Fahrrad. Einfach nur im Bus oder Auto durchzufahren und von innen die Menschen zu beobachten, hat tatsächlich etwas von Menschensafari und würde ich unbedingt vermeiden. Außerdem sollte die Tour in kleinen Gruppen stattfinden, damit der Kontakt zu den Menschen vor Ort direkter ist. Wenn du Bilder von Menschen machen möchtest, dann frag vorher nach ihrer Erlaubnis. In Europa gibt man teilweise die E-Mail Adresse nur unter strengsten Datenschutzauflagen her. Daher sollte man auch im Urlaub die Privatsphäre der Einheimischen respektieren.

Die Hälfte der jährlichen 800.000 Township-Touristen kommt nach Kapstadt. Informiere dich dort besonders im Voraus über die genaue Organisation und wem die Einnahmen der Tour zugute kommen. Kleine Townships abseits der Großstädte bieten sich besonders an wenn man wirklich Bedenken zur Sicherheitslage hat, weil sie in der Regel eine geringe Kriminalitätsrate haben. Außerdem findet man hier authentischere Touren abseits vom Massentourismus, wie z.B. in Kapstadt.

Ist das eigentlich ethisch korrekt? Pro und Contra

Die Frage, ob so eine Tour ethisch vertretbar sind oder nicht, ist eine, die sich nicht nur Südafrika-Besucher stellen. Die große und stetig steigende Zahl an Touristen, die mittlerweile weltweit Slums besucht, erforderte eine objektive Betrachtung.

Seit 2008 beschäftigt sich Prof. Dr. Malte Steinbrink mit dieser Frage wissenschaftlich. Er leitet den Lehrstuhl für Anthropogeographie an der Universität Passau und erforscht die Geographische Entwicklungs- und Mobilitätsforschung mit besonderem Fokus auf soziale Ungleichheiten und Stadtentwicklungsprozesse in Ländern des Globalen Südens.

Steinbrink befragte unter anderen in seinen Studien Besucher und Anwohner, um herauszufinden, welche Eindrücke beide Seiten vom Townshiptourismus haben.

Eindrücke der Besucher

In einer empirischen Studie von 2015 zu Armut und Tourismus in Windhoek zeigen Steinbrink und weitere Forscher anhand eines Vorher-Nachher-Vergleichs zunächst, welche Auswirkungen die Touren auf die Besucher haben. Eine repräsentative Gruppe von Besuchern des namibischen Katutura füllte dafür einen Fragebogen jeweils vor und nach der Tour aus. Darin sollten sie ihre persönlichen Eindrücke und Gefühle im Zusammenhang mit dem Township einschätzen. Man kann gut erkennen, dass die Tour einen durchweg positiven Einfluss hatte. Insbesondere die Eindrücke Hoffnung, Friedlichkeit und Harmonie waren nach der Tour wesentlich ausgeprägter als vorher. Ähnliche Ergebnisse zeigt auch eine Studie zu anderen Townships.

Eindrücke der Besucher vor und nach der Township Tour in Windhoek-Katutura (Namibia)
Eindrücke der Besucher vor und nach der Township Tour in Windhoek-Katutura (Namibia) – Quelle: Streinbrink et al. 2015

Was halten die Anwohner davon?

In der gleichen Studie wurden auch die Anwohner befragt. Die insgesamt 73 Befragten gaben mit überwiegender Mehrheit von 87% an, dass sie dem Townshiptourismus gegenüber positiv gestimmt sind. Einem kleinen Teil von 10% ist es egal und lediglich 3% sehen es als kritisch an.

Meinung der Anwohner zu den Township-Touren und zum Townshiptourismus in Windhoek
Meinung der Anwohner zum Townshiptourismus in Windhoek – Quelle: Streinbrink et al. 2015

Gleichzeitig haben die Anwohner aber auch hohe Erwartungen an die Touristen. Die meisten erhoffen sich eine bessere ökonomische und soziale Entwicklung für ihre Community. Daneben erwarten viele eine positive Imageveränderung und mehr Interaktion und Austausch mit den Besuchern. Letzteres zeigt ein Zitat einer 21-jährigen Anwohnerin.

„Ich mag es, aber gleichzeitig nützt es nichts, wenn sie nur kommen und zusehen, aber keine Veränderungen bewirken. […] Ich denke, wenn Sie aus ihren Bussen steigen, mit Menschen interagieren und Fragen stellen würden, um zu erfahren, wie der Lebensstandard in Katutura wirklich ist, dann würde uns das zeigen, dass sie nicht nur herkommen um Fotos und Videos von uns zu machen. Wir könnten beide etwas über unsere Kulturen lernen und Informationen darüber austauschen, wie sie leben und wie wir leben.“

Bewohnerin von Katatura (21 Jahre alt)

Pro und Contra

Aber auch die Wissenschaft kommt bisher nicht zu einem abschließenden und eindeutigen Ergebnis. Vielmehr als um die Frage, ob Townshiptourismus ethisch korrekt sind oder nicht, geht es darum, wie man am besten damit umgehen sollte. Ich habe die wichtigsten Argument dafür und dagegen in der folgenden Tabelle aus meiner Sicht zusammengefasst.

ContraPro
Eine Township Tour ist nichts anderes als Armutspornographie („Dark Tourism“)Die meisten Township-Bewohner sehen die Besucher als positiv an, manchen ist es egal
Das ist doch wie ein Menschen-Zoo oder eine wie Safari mit MenschenGute Touren sind zu Fuß (nicht im Bus) und die Anbieter wahren die Privatsphäre der Bewohner (z.B. keine Wohnungsbesichtigungen)
Township Touren sind mittlerweile MassentourismusEs gibt auch viele kleinere Townships – es muss nicht immer Kapstadt oder Johannesburg sein
Die Armut wird romantisiert – frei nach dem Motto „arm aber glücklich“Viele Bewohner sind in der Tat zufrieden. Armut ist weniger das Problem als die Kriminalität selbst. Allerding gibt es mehr und mehr Bewohner, die bleiben – auch wenn sie es sich mittlerweile leisten könnten woanders zu wohnen
Das hilft doch den Bewohnern nicht wirklich, wenn überhaupt lernen die Kinder dadurch, dass sich Betteln lohntVor allem für kleinere Townships sind die Touren eine wichtige und seriöse Einnahmequelle und damit eine Alternative zur Kriminalität
Anbieter kassieren Geld für die Tour direkt ein und geben nichts an die Gemeinschaft zurückBesucher können durch die Wahl eines verantwortungs-vollen Anbieters helfen, vor Ort nachhaltige Community-Projekte zu unterstützen (wie z.B. das Emzini Safe House)
Viele Reisende sind von einer Township Tour geschockt und fühlen sich danach in Südafrika sehr unsicherDie meisten Touristen sind bereits verunsichert durch die asymmetrische Medien-Berichterstattung. Eigene Erfahrungen können das Bild zurechtrücken und fremde Vorurteile ersetzen
Austausch mit Menschen aller Gesellschaftschichten
Südafrika ist nicht nur Tafelberg und Garden Route
Townshiptourismus ethisch korrekt? Pro und Contra – Quelle: eigene Darstellung

Mehr als nur ein Wirtschaftsfaktor

Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, das Townshiptourismus mittlerweile nicht nur ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die lokale Bevölkerung sind, sondern auch mehr und mehr professionalisiert werden. Die beteiligten Akteure, und insbesondere die Tourenanbieter, haben erkannt, dass der Tourismus ihr Township positiv verändern kann und eine gute Ausbildung ihrer Guides enorm wichtig ist. Nicht nur für die Besucher, sondern auch als Chance und Vorbild für die Bewohner.

Der Wandel zum hippen Viertel

Es ist richtig, dass die Arbeitslosigkeit in den sogenannten Informal Settlements sehr hoch ist. Es gibt Kriminalität, Alkohol- und Drogenmissbrauch. Aber trotz all dieser Umstände haben die Menschen auch einen ganz normalen Alltag und können nicht nur auf Armut, Dreck und Wellblechhütten reduziert werden. Es gibt fröhliche und glückliche Menschen: sie treiben Sport, spielen Fußball oder joggen und unterhalten sich vor den Häusern.

Und mittlerweile gibt es auch Townships, in denen sich junge kreative Menschen, eine aufstrebende Mittelschicht und sogar einige Jungmillionäre niederlassen. Es gibt schöne Steinhäuser mit Garten und allen Annehmlichkeiten. Ich habe während meines Studiums Menschen kennengelernt, die Architekten und Controller sind und hier aufgewachsen sind. Ihre Familien könnten es sich mittlerweile leisten woanders zu wohnen. Doch Township heißt auch Zusammenhalt und eine große und bedingungslose Community. Sie wollen einfach nicht wegziehen, denn all ihre Freunde und Familie leben hier. Die pauschale Aussage, dass alle Townships Slums ähneln ist meinen Erfahrungen nach daher absolut nicht korrekt.

Beispiel Soweto

In Soweto, dem wohl bekanntesten Township Südafrikas in Johannesburg in dem Nelson Mandela gelebt hat, findet sich heute ein pulsierendes Nachtleben, hippe Restaurants, Bars und Cafés. Und in den Townships von Kapstadt entwickelt sich eine wachsende Food-Szene.

Townships werden mancherorts bereits zu hippen Vierteln - wie hier in einer trendigen Bar in Soweto
Townships werden mancherorts bereits zu hippen Vierteln – wie hier in einer trendigen Bar in Soweto

Es wird noch Jahrzehnte dauern, die Wunden der Apartheid zu heilen und daher werden auch die Townships nicht so schnell verschwinden. Ähnlich wie in anderen Städten Europas, könnte es jedoch auch in diesen Vierteln zu einer Gentrifizierung kommen. Wenn der Wohnraum in den Innenstädten weiterhin teurer wird, dann ist es gut möglich, dass Townships noch mehr Kreative und Künstler anziehen.

Mit einer verantwortungsvollen Tour kann man auch die unternehmerischen Menschen unterstützen, die die Zukunft ihres Township positiv mitgestalten wollen. Das kann eine Vorbildfunktion für andere Bewohner sein, auch tätig zu werden, anstatt sich nur auf Staatshilfen zu verlassen – Win-Win sozusagen.

3 Gründe für einen Township-Besuch

  1. Mit einer Township Tour bekommt man Einblick in einen Teil der Geschichte und Kultur Südafrikas, das immer noch zum Alltag dieses Landes gehört und einen Großteil der Bevölkerung ausmacht. Zwischen der schicken Waterfront und den vielen europäisch gepflegten Attraktionen fällt es als Tourist leicht, diese Ungerechtigkeit auszublenden. Erst so bekommt man ein vollständiges Bild von Südafrika mit all seinen positiven und negativen Facetten.
  2. Township-Tourismus schafft Arbeitsplätze, bietet eine seriöse Geldquelle und stärkt das Selbstbewusstsein der Gründer und Angestellten. Besucher können bei einem verantwortungsvollen Anbieter mit ihrer Teilnahme zur Verbesserung der Community beitragen. Mit den Einnahmen können Bildungs-, Gesundheits- und andere soziale Projekte finanziert werden.
  3. Vorbildfunktion für andere Bewohner im Sinne von „Role Models“. Häufig sehen Kinder hier nur Erwachsene als Vorbilder, die kurzfristig durch Gangaktivitäten sowie Drogen- und Waffenhandel zu Geld gekommen sind. Ein erfolgreicher Gründer aus den eigenen Reihen zeigt ihnen, dass man auch seriös erfolgreich werden kann und eröffnet vollkommen neue Perspektiven. Daher finde ich es wichtig, Touren von Einheimischen zu unterstützen, ihre Arbeit wertzuschätzen und einen Ausstrahlungseffekt für andere Menschen zu erzielen.

Fazit – Township Tour für ein vollständiges Bild

Auch nach dem Ende der Apartheid ist der Unterschied zwischen Arm und Reich in Südafrika noch deutlich zu spüren. Diese Viertel verdeutlichen diese klaffende Wunde, die noch lange Zeit brauchen wird um zu verheilen. Sie gehören somit zu Südafrika wie der Tafelberg und das Kap der Guten Hoffnung. Wer ein vollständiges Bild von dem Land sehen möchte und nicht nur die vornehmen Viertel und Weingüter, der sollte unbedingt eine Township Tour mit einem kleinen und verantwortungsvollen Veranstalter buchen.

  • Townships machen einen Großteil Südafrikas aus und sind essentiell für ein vollständiges Bild von Land & Menschen
  • Die Touren schaffen seriöse Arbeitsplätze und helfen darüber hinaus bei sozialen Projekten
  • Mitarbeiter der Touren haben Vorbildfunktion für andere Bewohner („Role Models“) – vor allem für Kinder

Mein Tipp: Wenn du etwas spenden möchtest, dann frag am besten vor der Tour nach was vor Ort am dringendsten benötigt wird. Somit kannst du sicher sein, dass du etwas sinnvolles spendest und es dort ankommt, wo es wirklich gebraucht wird.

Wenn du weitere verantwortungsvolle Anbieter kennst, dann schreib es gerne in die Kommentare.


Hinweis: Unbeauftragte, unbezahlte Werbung. Dieser Artikel basiert auf persönlichen Erfahrungen, die ich selbst gezahlt habe.

Schreibe einen Kommentar