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Namib-Pferde – sind die Wüstenpferde von Namibia immer noch wild?

Sie vermitteln ein Gefühl von Freiheit, Ungezähmtheit und sind einfach wunderschön anzuschauen – die Namib-Pferde in der Garub-Wüste. Seit gut 100 Jahren leben sie in dieser lebensfeindlichen Umgebung. Doch in letzter Zeit werden es immer weniger. Wie lange werden sie hier noch überleben können?

Gibt es noch richtige Wildpferde?

Wild Horses kann man heutzutage noch in mehreren Ländern bestaunen. Die Mustangs in den USA, die Dülmener Wildpferde in Deutschland, die Exmoor Ponies in England und die sogenannten Namib-Pferde in Namibia. Doch der Begriff „Wildpferd“ ist nicht ganz korrekt. Denn dieser bezeichnet alle ausgestorbenen Unterarten, die nicht durch Menschen domestiziert wurden. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde der letzte bekannte Vertreter, der Tarpan, ausgerottet. Lange Zeit hat man angenommen, dass das asiatische Przewalski in der Mongolei als letzte Unterart der echten Wildpferde noch lebt. Eine Erbgut-Studie des Fachjournals „Science“ hat jedoch herausgefunden, dass die Tiere von gezähmten Botai abstammen. Demnach gibt es heutzutage keine echten Wildpferde mehr auf der Welt. Die oben genannten sind somit ausnahmslos verwilderte Hauspferde oder halbwild lebende Pferdeunterarten.

Die Namib-Pferde in der Garub-Wüste in Namibia
Die Namib-Pferde in Garub

Wie sind die Namib-Pferde in die Wüste gekommen?

In Namibia haben sich unweit des kleinen verschlafenen Städtchen „Aus“ seit über 100 Jahren Pferde den Widrigkeiten der Namib angepasst. Das Landschaftsbild wird geprägt von unbarmherziger Sonne und einer absolut beeindruckenden Wüstenlandschaft mit majestätischen Inselbergen. Heute werden sie auch die „Namibs“ genannt – die freien Pferde der Namib. Lange haben sich Forscher gefragt, wie die Tiere ursprünglich in dieser unwirtlichen und lebensfeindlichen Gegend um Garub gelandet sind. Unbestritten ist, dass es ursprünglich keine Wild Horses in der Namib gab. Sie können also nur durch menschliches Eingreifen in die Gegend gekommen sein. Die folgenden Theorien zur Herkunft sind heute bekannt.

Theorie 1 – Ausbruch aus Schloss Duwisib

Etwa 250 km nordöstlich von Garub gab es Anfang des 20. Jahrhunderts die Pferdezucht von Hansheinrich von Wolf auf dem Schloss Duwisib. Man hat vermutet, dass einige seiner Tiere ausgebrochen sind. Dagegen spricht jedoch, dass man in den sorgfältig geführten Aufzeichnungen der Zucht keine Hinweise dazu findet. Zudem wäre es auch sehr ungewöhnlich, dass die Tiere so weite Strecken zurücklegen, denn domestizierte Pferde bleiben in bekannten Gebieten.

Theorie 2 – Luftangriff auf Südafrikanische Union

Im ersten Weltkrieg wurde die Region um Aus und Lüderitz von der Südafrikanischen Union und den kaiserlichen Schutztruppen hart umkämpft. Sowohl die südafrikanischen als auch die deutschen Truppen hatten Pferde. Insgesamt gab es Berichten zufolge 6000 bis 8000 in dieser Region. Im März 1915 führten die deutschen Truppen einen Luftangriff auf die Südafrikanische Union an der Eisenbahnlinie in Garub durch. Durch die Detonation der Bomben flüchteten mindestens 1700 weidende Pferde in blinder Panik in die Namib. Nach diesem Ereignis kehrten einige Tiere zurück während andere in der Namib blieben. Durch das Chaos des Angriffs hatte die Armee wohl auch nicht ausreichend Zeit alle wieder einzufangen.   

Theorie 3 – Rückzug der Deutschen Truppen

Auch die deutsche Schutztruppe konnte nicht alle Pferde bei ihrem Rückzug vor den südafrikanischen Truppen mitnehmen. Somit gab es immer wieder zurückgelassene Tiere.

Theorie 4 – Züchter Emil Kreplin

Hobby-Historiker haben mit Hilfe von alten Bildern bemerkenswerte Ähnlichkeiten festgestellt. Erscheinungsbild und Merkmalen ähneln denen aus Emil Kreplins Gestüt in Kubub. Emil Kreplin war von 1909 bis 1914 Bürgermeister der Stadt Lüderitz. Die Stadt, die durch den Diamantenrausch von 1908 zu enormen Wohlstand gekommen war. Er züchtete Pferde für die Arbeit im Bergwerk und für die Rennstrecke in Lüderitz. Kreplin wurde während des Krieges durch die Südafrikanischen Union interniert. Später verlor er sein Vermögen in den Jahren der Großen Depression in Europa. Man geht davon aus, dass seine Tiere spätestens nach dem Krieg komplett besitzerlos wurden. Da sie nicht eingezäunt und das ursprüngliche Gebiet überweidet war, haben sie sich auf der Suche nach Nahrung weitläufig verstreut.

Wahrscheinlichste Theorie

Die wahrscheinlichste Theorie ist somit eine Mischung aus (2), (3) und (4). Die Namib-Pferde finden ihren Ursprung aus Herden der südafrikanischen und deutschen Truppen und des Kreplins Gestüts. Die versprengten oder zurückgelassenen Tieren fanden in den Bergen rund um Aus eine Vielzahl an natürlichen Wasserstellen vor. In den Nachkriegsjahren und den Jahren der Depression mussten viele Deutsche ihr Land verlassen. Hinzu kommt, dass das Auto immer mehr die Tiere als Transportmittel ersetzte. Somit sind wahrscheinlich weitere herrenlos gewordene Pferde in den Bergen rund um Aus hinzugekommen. Diese haben sich dann den deutschen und südafrikanischen angeschlossen.

Alte deutsche Eisenbahnstrecke in Namibia
Alte deutsche Eisenbahnstrecke in Namibia

Wie konnten sie in der Wüste überleben?

Erst Ende der 1920er Jahre wurden die Pferde erstmals von der Öffentlichkeit im Südwesten Afrikas wahrgenommen. Anfangs sprach man von den „deutschen“ oder „Garub-Pferden“. Bis dahin hatten sie keinen Kontakt zu Menschen. 1908 wurden bei Kolmanskop, 80 km westlich von Garub, erstmals Diamanten gefunden. Die damalige deutsche Kolonialverwaltung richtete daraufhin ein Diamanten-Sperrgebiet ein. Ein 100 km langer und 300 km breiter Küstenstreifen um das alleinige Schürfrecht zu sichern.

Schutzzone für die Namib-Horses im Namib-Naukluft National Park
460 km²-große Schutzzone für die Namib-Pferde an der Grenze von Namib-Naukluft und Tsau //Khaeb National Park – Quelle: Management-Plan MET

Somit konnten die Wild Horses ungestört und ohne menschlichen Einfluss, wie z. B. Jäger und Pferdefänger, leben und lernen, sich den harten Bedingungen einer Wüste anzupassen. Man muss jedoch darauf hinweisen, dass sie dabei auch sehr viel Glück hatten. Denn ihr Überleben war maßgeblich von einem einzigen Wasserloch nahe des Ortes Garub abhängig. Dieses gab es nur, weil die Dampfloks der Eisenbahnlinie versorgt werden mussten. Vor allem während extremer Trockenperioden und Tagestemperaturen von über 45°C rettete dieses Wasserloch wohl viele Tiere vor dem Verdursten.

In dieser Wüstenregion finden sie nur Sukkulenten, stachelige Sträucher und einjährige Gräser vor. Ihr Vorkommen seit über 100 Jahren zeigt jedoch, dass sie damit zurechtkommen und außerhalb von Trockenzeiten ausreichend Weideflächen finden. Es gab lange Zeit Bedenken im Hinblick auf Naturschutz. Die Pferde könnten Eindringlinge in dieser Wüstenregion sein und die einheimische Flora und Fauna schädigen oder sogar zum Aussterben bestimmter Pflanzen beitragen. Daraufhin hat die südafrikanische Biologin Telané Greyling zwei Jahrzehnte lang die Pferde und ihre Umwelt untersucht. Sie kam zu dem Ergebnis, dass die einheimische Flora und Fauna nicht negativ beeinflusst oder verdrängt wird.

Die Namib-Wüste - eine der trockensten Orte der Welt
Die Wüste Namib – einer der trockensten Orte der Welt

Überleben durch Anpassung

Für eine genetische Anpassung der Pferde an die lebensfeindlichen Bedingungen waren die letzten 100 Jahre viel zu kurz. Aber sie konnten ihr Verhalten anpassen. So zum Beispiel durch Ernährungs- und Trinkmuster sowie Ruhe- und Spielmuster. Je nach Menge der verfügbaren Weideflächen und vorherrschender Temperaturen passen sie diese an.

Sie legen weite Strecken zurück, um an ausreichend Futter zu gelangen und fressen wo immer es möglich ist. In den Trockenzeiten spielen und galoppieren sie nur sehr selten. Um weitere Energie zu sparen, zögern sie ihre Besuche am Wasserloch so lange wie möglich heraus. Da sie an Durst und eine gewisse Dehydration gewöhnt sind, verursacht ihnen dieser, im Gegensatz zu Hauspferden, keinen Stress.

Ihre Ernährung besteht größtenteils aus Wüstengras. Sie verzehren aber auch getrocknete Pferdeäppel. Diese sind nährstoffreich und enthalten sehr viel mehr Fett und Eiweiß als das trockene Gras der Namib. Das ist ein ganz natürliches Verhalten und wird als Koprophagie bezeichnet. Es ist eine energieeffiziente Methode zur Gewinnung von Nährstoffen.

Die Namibian Wild Horses finden hier nur wenig nährstoffreiches Gras
Die Namibian Wild Horses finden hier nur wenig nährstoffreiches Gras

Haben die Namibian Wild Horses natürliche Feinde?

Im Jahr 1986 wurden 350 km² des Sperrgebietes an den Naturschutz übergeben und dem Namib-Naukluft-Park angegliedert. Somit wurde der ungestörte Lebensraum der Namib-Pferde auch für die Zukunft gesichert. Im Süden Namibias sind Löwen und Leoparden nur selten oder gar nicht anzutreffen und somit keine Bedrohung für die Tiere.

Ein natürlicher Feind ist die Wüste selbst, denn Niederschläge sind selten und unvorhersehbar. Dürrejahre treten an den Rändern der Namib regelmäßig auf. Das Weidegras hat dann nur noch wenig Nährwert und die Tiere leiden an Mangelernährung und Schwäche. Somit fehlt ihnen die Energie um weite Strecken zwischen Weideland und den Wasserstellen zurückzulegen.

Dürrejahre

In den Jahren 1992, 1998 und 2012 waren besonders schlimme Dürrejahre. Die Population reduzierte sich stark. Im Rahmen ihrer Dissertation hat Telané Greyling u.a. das Zusammenwirken von Pferde-Population und Niederschlag genau untersucht. Man kann gut erkennen, dass bereits ein Jahr ohne Regen, wie die Dürre von 1998, zu einem extremen Rückgang führte.

Population der Namib-Pferde und Regen von 1993 bis 2004
Population der Namib-Pferde und jährlicher Niederschlag von 1993 bis 2004 – in Anlehnung an: Telané Greyling, Disseration NWU 2005

Obwohl es genügend Trinkwasser am Wasserloch gibt, mangelt es aber an Nahrung. Im Gegensatz zu den Oryxantilopen, die Wasser länger speichern, können die Namibs maximal 48-72 Stunden aushalten ohne etwas zu trinken. Daher dürfen sie sich nie zu weit (nur ca. 40 km) vom Wasserloch entfernen, da sie ansonsten verdursten. Sie sind somit in dieser relativ kleinen Region rund um Garub gefangen. Wenn es dann wenig oder gar nicht regnet, haben sie keine Möglichkeit andere nährstoffreichere Weideflächen zu erreichen.

Die Genpool-Grenze

Blutuntersuchungen Mitte der 1980er Jahre hatten gezeigt, dass der Genpool der Herde bereits sehr klein ist. Vermutlich eine Folge früherer Dürreperioden Anfang und Mitte des 20. Jahrhunderts, also vor der regelmäßigen Beobachtung der Tiere. Es wird davon ausgegangen, dass die heutige Genpool-Grenze bei etwa 50 Tieren liegt. Fällt die Population unter diesen Wert, ist die genetische Variabilität zu gering. Das kann zur Inzuchtdepression führen, wodurch die Herde degeneriert und anfälliger für Krankheiten wird.

Öffentliche Hilfsaktion

Daher wurden in den letzten Jahrzehnten immer wieder große Hilfsaktionen ins Leben gerufen – in und über die Grenzen Namibias hinaus. In den 1990er Jahren hat man viele der wilden Pferde eingefangen und zugefüttert. Doch der Erfolg war nicht sehr groß. Viele Tiere starben an der afrikanischen Pferdekrankheit und am Stress der Domestizierung. Andere waren so stark geschwächt, dass es einfach schon zu spät war. 2012 hat man diesen Fehler nicht mehr begangen. Finanziert durch Spenden hat man die Versorgung mit Hilfe und Ergänzungsfütterungen an den Wasserstellen vor Ort sichergestellt. Eine Zufütterung bedeutet jedoch auch Stress, denn sie sind an den Geschmack der Wüstengrasarten gewöhnt. Daher muss man besonders darauf achten, dass Heu beschafft wird, das mit dem natürlichem Futter vergleichbar ist.

Der Kampf mit den Hyänen

Doch als die Dürrejahre vorbei waren, gab es eine weitere Bedrohung. Tüpfelhyänen haben sich in dem Gebiet rund um die Garub-Ebene wieder angesiedelt. In den 70er Jahren töteten die Bauern in Namibia noch Hyänen, Schakale und andere Raubtiere, die als Ungeziefer galten. Die Hyänen sind daraufhin in die Küstenregionen abgewandert, wo sie Robben als Beute finden.

Ausgestopfte Hyäne in einem Museum in Namibia
Ausgestopfte Hyäne in einem Museum in Namibia

Doch mit dem Ausbau der touristischen Nutzung der Landflächen und Angliederung an Nationalparkregionen, änderte sich das Ansehen der Tiere und somit konnten sie sich wieder vermehren. Ihre Clans wurden so groß, dass sie sich aufteilen mussten und einige hat es nach Garub verschlagen. Doch als Gemsböcke und Springböcke in nördlichere Gebiete abwanderten um dort zu grasen, sind die Hyänen ihnen nicht mehr gefolgt. Stattdessen sind sie in der Region um Garub geblieben. Anfangs haben sie „nur“ die Fohlen getötet, da diese leichte Beute darstellen. Doch innerhalb eines Jahres haben die Hyänen gelernt, wie man einen Hinterhalt errichtet und konnten auch erwachsene Pferde reißen. 2013 haben sie etwa einhundert der Wild Horses getötet, davon fünfzig Fohlen.

Natürliche Auslese?

Zunächst hat man dies als natürliche Kontrolle gesehen. Denn die Zahl der Herdenmitglieder schwankt seit jeher zwischen 80 und 280 Tieren. Diese Schwankungen lassen sich jedoch vor allem auf Zeiten großer Trockenheit zurückführen und sind normal. Doch 100 Tiere in einem Jahr zu verlieren war ein enormer Rückschlag für den Genpool der Herde.  

Das Ministerium für Umwelt und Tourismus erteilte daraufhin die Erlaubnis, dass die Hyänen gefüttert werden dürfen. Das reduzierte kurzfristig den Druck. Die Pferde hatten Zeit sich mit dem nach Regenfällen sehr nährstoffreichen Gras satt zu essen und erholten sich schnell. Die kräftigen Tiere waren somit keine leichte Beute mehr. Einige Hyänen wanderten daraufhin auf Bauernhöfe ab um nach leichterer Beute zu suchen. Von den Bauern wurden sie jedoch nicht gern gesehen, sodass mindestens neun von ihnen abgeschossen wurden.

Herde enorm dezimiert

Die übrigen Hyänen sind durch die Zufütterung jedoch auch stärker geworden. Und da es auch ausreichend Futterangebot ab, wollten sie aus der Region ebenfalls nicht wegziehen. Als die noch verbliebenen Hyänen alle 2018er Fohlen getötet hatten, hat man über ihre Umsiedlung nachgedacht. Zusammen mit der Dürre der Vorjahre und dem vollständigen Ausbleiben des Regens in 2017, war nun erstmals seit Beginn der Zählung die Population unter 80 gesunken. So waren es in 2018 dann nur noch 75 Tiere und man befürchtete, dass der Genpool abermals zu klein würde – eine existenzielle Gefahr für die Namibs!

Population der Namib-Pferde und Regen von 2009 bis 2020
Population der Namib-Pferde und jährlicher Niederschlag von 2009 bis 2020 – basierend auf Daten von Namibia Wild Horses Foundation

Eine weitere Alternative wäre die Umsiedlung der Wild Horses gewesen. Also in ein eigens für sie zu schaffendes Schutzgebiet in einer Gegend, in der sie vor Hyänen sicher wären. Doch selbst in Namibia ist es schwer ein so großes und geeignetes Stück Land zu finden. Darüber hinaus wäre dies eine gewaltige Investition. Fraglich ist auch, wie die Pferde die Umsiedlung annehmen würden.

Sind die Hyänen weniger wichtig?

Als die ersten Versuche der Umsiedlung der Hyänen erfolglos waren, hat man im Februar 2019 drei von ihnen abgeschossen. Denn man glaubte, dass diese drei Exemplare maßgeblich für das Töten von Fohlen verantwortlich waren. Ganz sicher kann man sich dabei nicht sein, denn die Angriffe finden nachts statt. Diese Erschießung zur Rettung der Wildpferde hat eine hitzige Debatte unter Naturschützern entfacht. Soll die Naturschutzbehörden in einem Nationalpark endemische Wildtiere zugunsten von „verwilderten“ Tieren abschießen?

Auch eine bedrohte Art

Und es ist richtig und sehr wichtig, dass man sich mit dieser Frage auseinandersetzt. Denn die Tüpfelhyänen sind in vielen Gebieten Namibias auch eine vom Aussterben bedrohte Art und als „gefährdet“ aufgeführt. Karl Fester ist ein Hyänenforscher der namibischen Naturschutzgruppe N/a’an ku sê Foundation. Er schätzt, dass ihre Zahl von etwa 2500 im Jahr 1998 auf weniger als 1000 im Jahr 2019 gesunken ist. Daher ist das Töten und Einfangen, um sie von der Beutejagd auf Pferde abzuhalten, keine praktikable und langfristige Lösung. Und es verstößt gegen die Grundprinzipien von Naturschutzgebieten. Außerdem ist die genaue Zahl von getöteten Pferden durch Hyänen nicht hundertprozentig bewiesen. Dürre und Krankheiten können ebenfalls für die Todesfälle verantwortlich sein.

Die Tüpfelhyänen sind endemische Tiere, d. h. sie haben hier schon immer gelebt. Die Wildpferde hingegen sind „von außen“ hinzugekommen. In dieser Wüstenregion sind beide einem täglichen Kampf ums Überleben ausgesetzt. Durchschnittlich gibt es pro Jahr eine Niederschlagsmenge von 100 mm. Doch zwischen 2012 und 2018 fiel extrem wenig Regen. Durch den Klimawandel wird es auch zukünftig trockener werden und häufigere und längere Dürreperioden werden keine Einzelfälle mehr bleiben.

Namib-Pferde am künstlichen Wasserloch Garub
Wüstenpferde am künstlichen Wasserloch Garub

Können die Namib-Pferde ohne den Menschen noch überleben?

Ist es nachhaltig und im Sinne des Naturschutzes die Hyänen zu erschießen oder umzusiedeln? Denn man sollte daran denken, dass die Wildpferde in dieser lebensfeindlichen Region ursprünglich nicht zu Hause sind. Haben sie nur durch das von Menschenhand geschaffene Bohrloch für die Dampfeisenbahn und die Zufütterung in Dürreperioden so lange überlebt? Und ist es nicht einfach natürliche Selektion, dass die Hyänen die Alten, Schwachen und Jungen fressen? So wie es die Natur ursprünglich vorgesehen hat? Es ist eine komplexe und wirklich nicht einfache Diskussion. Hinzu kommt, dass Hyänen nicht unbedingt einen guten Ruf genießen. In der Literatur und im Fernsehen werden sie als hässlich und bösartig dargestellt. Genau dieses Bild bleibt den Menschen daher oft im Kopf. Man denke da nur an König der Löwen. Eine Analyse von Social-Media-Beiträgen ergab, dass bis zu 85% für die anmutigen und schönen Wildpferde stimmten.

Und tatsächlich gehören sie zu den Top-Touristenattraktionen in Namibia. Sie sind Thema zahlreicher Dokumentarfilme und haben dazu beigetragen, Namibia als beliebtes Reiseziel zu fördern. Zahlreiche Menschen aus dem Ausland haben in den Dürreperioden gespendet, weil sie von dem Leid der Tiere betroffen waren. Viele Touristen sehen sie als Teil der Namib an und planen ihre Reise so, dass sie einige Tage in Aus verbringen. Die wilden Pferde von Namibia sind mittlerweile eine tourismusbezogene Aktivität und haben für den Lebensunterhalt der Aus-Gemeinde eine große Bedeutung. Sie gehören zu Aus genauso wie die spektakuläre Wüstenlandschaft, Wildtiere und die historischen Ereignisse der Umgebung (Diamantensperrgebiet, Kriegsgebiet).

Lokaler Wirtschaftsfaktor

Fakt ist, dass die Namib-Pferde für die Einheimischen von Aus ein wichtiger und nachhaltiger Wirtschaftsfaktor sind. In dem kleinen Städtchen gibt es ca. 800 Einheimische, davon sind 130 aktiv im Tourismus tätig und weitere indirekt davon abhängig. Außer dem Tourismus gibt es in Aus nur wenige Arbeitsmöglichkeiten. Die rauen klimatischen Wüstenbedingungen und der wenige Niederschlag machen landwirtschaftliche Aktivitäten so gut wie unmöglich. Nachdem der Betrieb der Eisenbahn eingestellt wurde, haben viele Einheimische ihre Arbeitsplätze verloren. Es waren so auch weniger Einzelhandelsgeschäfte nötig, weil die Kaufkraft nicht gegeben war.

Kulturelles Erbe

Seit den 1980er Jahren sind die Namibs weltweit bekannt und werden mit Namibia positiv verbunden. Die wilden Pferde zusammen mit den verlassenen Städten des Diamantenrauschs bei Lüderitz erinnern an den amerikanischen wilden Westen. Der ORF hat dieses Bild in seiner gleichnamigen Dokumentation Afrikas Wilder Westen bereits aufgegriffen.

Relevanz für ganz Namibia

Obwohl die „Pferde der Namib“ im Nationalpark leben, sind sie laut Naturschutzverordnung keine Wildtiere. Als alleiniger Eigentümer sieht aber das Ministerium für Umwelt und Tourismus (MET) die Tiere als wichtigen Teil des Kulturerbes Namibias. Sie dienen der Werbung für Namibia als Tourismusziel und ziehen letztlich viele Besucher an. Daher hat das Ministerium 2019 in seinem Management-Plan das weitere Vorgehen für 2020 bis 2029 beschlossen.

Darin steht, dass das Ministerium die Aufrechterhaltung einer lebensfähigen und gesunden Pferdepopulation anstrebt. Dies führe letztlich zur Verbesserung der Lebensgrundlagen der Gemeinschaft und der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Das soll u. a. durch weitere künstliche Wasserstellen für alle Tiere in der Region erfolgen. Für die Namibs wurde eigens eine 460 km²-große Schutzzone aus Teilen des Namib-Naukluft und Tsau // Khaeb (Sperrgebiet) National Parks eingerichtet. Darin soll in Dürreperioden zugefüttert und die Hyänen mit Hilfe von regelmäßigen Patrouillen verschreckt werden. In Dürreperioden sollen die Pferde zusätzlich zum eigenen Schutz eingezäunt werden.

Stiftung soll Überleben sichern

Im Jahr 2012 wurde auch die Namibia Wild Horses Foundation gegründet. Eine gemeinnützige Organisation, die sich für den Erhalt und den Schutz der Tiere einsetzt. Sie stehen in engen Kontakt mit dem Ministerium für Umwelt und Tourismus und beraten zum Thema Wildpferde. Außerdem führt die Stiftung Populationsforschung und das Monitoring durch. Sie sammelt auch Spenden für die Pferde und beschafft Ausrüstung für die Wasserversorgung sowie Nahrungsergänzungsmittel und Futter während schwerer Dürreperioden.

Zusammenfassung

Die Namib-Pferde leben seit mehr als 100 Jahren in der Wüste um Garub. Ohne menschlichen Zuchteingriff konnten sie sich so fast komplett isoliert entwickeln. Mittlerweile kann man von einer eigenen Unterart, den „Namibs“, sprechen. Obwohl sie ursprünglich nicht von hier kommen, gehören sie heutzutage zu Namibia wie die Dünen von Sossusvlei und der Etosha Nationalpark. Ihr Aussterben hätte sehr negative Auswirkungen auf die Region Aus und ihre Bewohner. Der Tourismus kann letztlich eine Gelegenheit sein, die wirtschaftliche Entwicklung für strukturschwache Regionen voranzubringen und verbesserte Lebensgrundlagen für die Gemeinschaft zu bieten. So schlimm es klingen mag, aber nur für die Hyänen werden die Touristen nicht nach Aus kommen. Denn zusätzlich zu ihrem Ruf sind sie nachtaktive und sehr scheue Tiere und in dieser Region haben sie kein Alleinstellungsmerkmal.

Ich habe die Wüstenpferde bereits dreimal besucht. Der Moment, wenn man sie zum ersten Mal am Horizont erblickt, ist einfach überwältigend. Die majestätischen Tiere vermitteln ein Gefühl von grenzenloser Freiheit, Ungezähmtheit und Wildnis. Viele Einheimische, mit denen ich gesprochen habe, setzen sich unermüdlich dafür ein, den positiven Wert der Wildpferde für die Region zu verbreiten. Man merkt ihnen die Liebe zu den Tieren an. Sie sind stolz, dass die Tiere in ihrer Heimat zu Hause sind. In den nächsten Jahren gilt es, bei jedem menschlichen Eingriff sorgsam zwischen Naturschutz und nachhaltigem Tourismus abzuwägen.

Quellen: Pferde.World, Namibia Wild Horses Foundation, South Africa Country Life, Wildpferde und Mustangs, PNP.de, kwerfeldein.de, Süd-Afrika Magazin, Info Namibia, Oxpeckers, Republic of Namibia – Ministry of Environment and Tourism, Getaway, CNN Travel, Wild Horses Namibia, Telané Greyling

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Thomas Leuthold

    Ein unnatürlicher Überlebenskampf als Hauptattraktion an der Touristenroute im Süden:
    Ausgewilderte europäische Hauspferde kämpfen um ihr Überleben in einer für sie unnatürlichen Umwelt. Durch das Bohrloch in Garub als Tränke und der unüberwindbaren Wüste sind die Pferde an diesen Ort gebunden und müssen mit allen Widrigkeiten kämpfen um zu überleben. Das ist wie Eisbären auf Madeira aussetzen und sie mit dem milden Klima und der fehlenden Nahrung kämpfen lassen. Anstelle die Pferde in eine für sie natürliche Umwelt umzusiedeln, werden ortsansässige Hyänen umgesiedelt, erschossen oder verschreckt. Wird hier wirklich im Sinne des Tierwohls gehandelt?

    1. Hallo Thomas,

      erstmal vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar! Ich war gerade wieder bei den Namib-Pferden und habe deine Frage vor Ort auch der Namib Wild Horses Foundation gestellt…

      Das Thema ist natürlich ambivalent. Allerdings war es ein Zufall, dass die Pferde damals in den Wirren des Ersten Weltkriegs fliehen und dann mehrere Jahrzehnte nahezu ohne Zutun des Menschen überleben konnten. Daher trifft der Vergleich mit dem Aussetzen von Eisbären auf Madeira nicht ganz zu.

      Weiterhin sind auch die Tüpfel-Hyänen dort eigentlich nicht heimisch. Es gibt zwar Hyänen bei Lüderitz, aber dies sind Braune Hyänen (meist Einzelgänger), die sich vorwiegend von den Robben am Strand ernähren.

      Meine neusten Recherchen vor Ort ergaben, dass auch die Tüpfel-Hyänen (diese jagen im Rudel) dort nicht heimisch waren, sondern vom Menschen vor ein paar Jahren gezielt wieder ausgewildert wurden. Allerdings ein gutes Stück entfernt im Norden. Aber auf der Suche nach Futter haben die Tüpfel-Hyänen die Namib-Pferde nach einiger Zeit dann doch aufgespürt.

      Es ist also doch leider immer wieder so: überall wo der Mensch eingreift, stört er das natürliche Gleichgewicht enorm und die Zusammenhänge sind meist so komplex, dass die Folgen nicht mehr absehbar sind.

      Viele Grüße
      Sarah

  2. Laura

    Ich finde es schrecklich was mit den Pferden Passiert, und ab gesehen davon würde ich wenn es jetzt wirklich darauf ankommt auch die Hyänen abschießen aber nur wenn es darauf ankommt und es gibt glaube ich bei weitem mehr Tupfelhyanen als die Namibs.

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